Ingrid Bartel – Inszenierte Fotografie als Tableau vivant

Um die Inszenierung einer künstlichen Ästhetik, die einen Einblick in ihre inneren Bilder zulässt, geht es Ingrid Bartel in ihrer Fotografie. Sie schafft damit fotografische Wirklichkeiten, die sie mit ihrer subtilen Bildsprache nach außen projiziert. Diese artifiziell geschaffene Realität erhebt keinen Anspruch auf das Abbilden mit Wirklichkeitsbezug. Ihre inszenierten Bildwelten stellen den Wahrheitscharakter erst gar nicht in Frage. Die Basis für die Qualität dieses fotografischen Werks ist ein exzellentes Gespür für Kompositionen und Oberflächen. Ingrid Bartel greift dabei oftmals auf die Technik des Tableau vivant zurück, die sich auf das Darstellen einer Situation durch lebende Personen aus einem inneren Bild heraus versteht. Das Tableau vivant ist eine Demonstration der Körper, die in Requisiten verkleidet ihre Verwandlungsfähigkeit unterstreichen. Der menschliche Körper ist dabei nicht Teil einer Handlung, sondern eines künstlich erzeugten Moments. Durch die inszenierte Fotografie als Tableau vivant werden Bilder geschaffen, die zum Atmen kommen. Mit diesen künstlich geschaffenen Augenblicken der Posen werden neue Bildräume konstruiert. Das verbindende Element der vier Werkgruppen in der Fotografie von Ingrid Bartel ist eine artifiziell kreierte Wirklichkeit.

1. Inszenierungen

In ihrer Werkgruppe der Inszenierungen geht es Ingrid Bartel um den speziellen Moment, der einen subtilen Bildinhalt in einer arrangierten Situation fixiert. Die in dieser oft theatralisch inszenierten Bildwelt visuell versammelten Elemente erzeugen einen Spannungsbogen zwischen Andeutung und Klarheit, Anziehung und Abneigung sowie Harmonie und Dramatik. Ihre detaillierte und konzeptuelle Bildsprache offenbart den Einfluss einer surrealen Bildwelt und bildet damit ihre eigene Gefühlswelt ab. Die oftmals in einer Bewegung dargestellten Personen vermitteln eine Ruhe und Statik, die beunruhigt. Durch eine kühle Farbgebung wird diese Stimmung noch verstärkt. Einzelne Dinge rücken in den Fokus, um die Dramatik der theatralischen Szenen zu unterstreichen. Immer wieder finden sich Spiegel und Spiegelungen als Teil der Inszenierungen, die den Raum damit verzerren. Morbide leerstehende Häuser oder ein verfallenes Schloss sind die Orte der Inszenierungen. Durch den fotografischen Akt der Bildentstehung werden die inneren Bilder der Fotografin sichtbar gemacht.

2. Portraits

In ihrer Fotografie beschäftigt sich Ingrid Bartel seit mehr als zehn Jahren explizit mit dem Thema „Frau“ und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Es geht in diesen Arbeiten um Identität, Präsenz, Sichtbarkeit und Lesbarkeit aber auch um den Kontext, in dem Frausein passiert und wahrgenommen wird. Dabei entstehen Serien, die meist als Triptychon nebeneinander funktionieren. Durch ihr Alter repräsentiert die Fotografin die Generation zwischen der feministischen Avantgarde der 1970er-Jahre und der feministischen Kunst von heute. Ihr Portraitstil orientiert sich an der Schnittstelle zwischen künstlerischer Fotografie und Modefotografie. Oftmals sind die Arbeiten von einer surrealistischen Bildsprache mit einer fantastischen Note geprägt, die durch starke Licht-Schatten-Kontraste eine ganz spezielle Atmosphäre vermitteln.

3. Blumenbilder

Überlagerungen und Mehrfachbelichtungen bilden das Setting/den Spannungsbogen der Blumenbilder von Ingrid Bartel. In Anlehnung an Robert Mapplethorpe, der Blumenstillleben so darstellen konnte, als ob es sich um ein erotisches Sujet handelt, wird in diesen Arbeiten mit dem Moment der Dekonstruktion gespielt. Es ist ein Skulptur schaffender Prozess, der neue Objekte je nach Blüten und Jahreszeiten entstehen lässt. Jede Mohnblume ist anders und wird immer wieder neu zusammengesetzt. So wie auch die Natur niemals gleiches schafft, entsteht hier aus verschiedenen arrangierten Blüten Neues. Es bildet sich etwas Unvergängliches, auch wenn der Vergänglichkeitsprozess bereits begonnen hat. Das Verwelken wird dadurch angehalten und durch die Fotografie gestoppt.

4. Stillleben

Geprägt vom fotografischen Perfektionismus eines Walter Peterhans, der seine Werke formal perfekt arrangiert hat und dessen klarer Bildaufbau und exakte Lichtsetzung Vorbild sind, werden die Stillleben in Szene gesetzt. In Bezug auf den künstlerisch-verspielten Umgang mit der Fotografie im Bauhausstil zeigen die Stillleben von Ingrid Bartel eine ganz eigene Wirklichkeit. Materialität, Komposition und Form stehen dabei im Zentrum ihres fotografischen Interesses in dieser Werkserie. Licht und Schatten sowie eine sehr pointierte Farbkomposition prägen ihren Stil und lassen die Fotografien an Gemälde in einer neuen Sachlichkeit erinnern.